Irgendwann bin ich doch eingeschlafen. Bei Sonnenuntergang waren wir wieder unterwegs. Hier geht die Sonne früh unter. Das ist gut, denn dann sind die Geschäfte noch offen. Wir gehen Einkaufen mit Ihrem Geld.

Wir halten in einem Heimwerkerladen. Ein paar Dinge besorgen. Wichtige Dinge. Anschließend fahren wir Tanken. Der Tank ist zwar voll, aber ein Reserverkanister kann nicht schaden.

„Wir sollten verschwinden, ich glaube der Typ hat mich erkannt.“

„Weisst du Marv, irgendwie hast du ein einprägsames Gesicht. Man übersieht dich nicht so leicht...“

„Was du nicht sagst. Ist ja nicht so, das du unauffällig bist. Du solltest deinen Mantel zumachen. Das ist einfach nicht fair.“

Sie schließt ihren Mangel. Aber es hilft nicht.

Wir nehmen die Virgenes zur Lennox mit der Abkürzung über die Wälder. Sie stellt keine Fragen. Wirklich eine Klassefrau. Ich versuche an etwas anderes zu denken. Ich muss mich konzentrieren auf die Aufgabe die vor mir liegt. Kevin ist schneller und besser als ich. Ich muss wirklich jeden miesen Trick den ich kenne einsetzen. Und ich kenne eine Menge. Dafür habe ich eingekauft. Für alle Fälle.

Ich gehe alles nochmal durch. Gumischlauch. Benzin. Säge. Handschuhe. Handschellen. Stacheldraht. Axt. Gladys. Und meine Fäuste. Scheint alles da zu sein. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen. Es muss einfach klappen. Wenn es nicht funktioniert, habe ich sowieso keine zweite Chance.

„Wir sind jetzt nah genug. Halt an.“

„Ja, Marv.“

Wir halten mitten im Wald. Es ist stockdunkel, aber der Wind ist heiss. Ich zünde mit eine Zigarette an. Nach ein paar Versuchen gebe ich es auf weil meine Hände zu sehr zittern. Sie scheint es nicht zu bemerken. Egal, es wäre sowieso nicht gut wenn er mich durch die Glut meiner Zigarette zu früh sehen würde. Kevin, ich komme...

Wendy schaut mich an. Ihre Augen scheinen sich in meinen Kopf zu brennen. Aber sie fragt nicht. Sie weiss, ich bin ihre einzige Chance, die einzige die sie je bekommen wird. So wie Goldie. Werde ich aus sie enttäuschen? Das Spiel damit komplett machen? Ein ewiger Versager? Es würde schon passen...

Diesmal nicht. Diesmal werde ich nicht versagen. Ich weiss was ich ihr schuldig bin. Goldie, ich werde es für Dich tun. Nur für Dich.

Der Hauch von Wendys Parfüm zieht an mir vorbei und umhüllt mich wie eine Wolke. Es ist als würde ich Goldies Anwesenheit spüren durch ihre Schwestern.

„Lass den Motor laufen. Wenn ich in zwanzig Minuten nicht wieder da bin, verschwinde so schnell Du kannst.“

„Töte ihn für mich Marv!“

„Ich werde dich nicht enttäuschen, Goldie. Versprochen.“

Oh ja, und wie. Niemals wieder werde ich Dich enttäuschen.

Der Klumpen in meinem Bauch ist nicht mehr da. Ich bin ganz ruhig. Keine Angst. Ich werden kommen, Kevin, zu dir. Warte nur warte.

Es dauert nicht lange und aus meinem ruhigen Gang wird ein Laufen. Ich kann es kaum erwarten. Kein Zittern. Kein kalter Schweiß. Keine Zweifel. Ein Grinsen ist auf meinem Gesicht festgefroren. Ja, ich fühle mich wohl. Ja, ich fühle das es meine Bestimmung ist. Kein schlechtes Gewissen. Das wissen das richtige zu tun, ein einziges Mal im Leben, dieses mal, nur noch voraus und nie mehr zurück. Ich bin viel zu weit, der Fallschirmsprung ohne Schirm, Bungee ohne Seil, Downhill ohne Bremse. Und doch fühlt es sich so richtig an. Noch nie hat sich etwas so richtig angefühlt. Goldie, oh Goldie...

So verrückt das ich keine Angst habe bin ich zum Glück nicht. Dann wäre auch schon alles verloren. Gut, die Angst war kurz weg, vor lauter Glück, aber jetzt ist sie wieder da. Ein kleiner kalter Klumpen in meinem Bauch, vertraut und altbekannt. Aber ohne Angst bist du nicht mutig, sondern irre. Und ich darf mir keine Fehler leisten. Ich muss gegen Kevin gewinnen. Und das kalte Feuer in meinen Eingeweiden hält mich wach und zeigt mir den Weg.

Selbst der Wald macht mir keine Angst mehr. Wie auch, schließlich bin ich nur ein wildes Tier mehr und ich bin größer und gefährlicher als der ganze Rest. In konnte schon immer nur töten und nichts anderes. Warum soll ich es nicht geniessen?

Als die Farm in Sicht kommt und ich mich langsam anschleiche frage ich mich, ob ich nicht einen Fehler gemacht habe. Schließlich weiss ich gar nicht, ob er noch da ist. Ich hoffe das sie mich für helle genug halten, das ich nicht nochmal herkomme. Das sie ihm gesagt haben, das er bleiben soll wo er ist und ich über alle Berge sind. Kevin muß hier sein! Sonst ist alles aus. Hoffentlich...

Er muß hier sein!

Beim Spannen des Stacheldrahtes bin ich froh das ich besonders dicke Handschuhe genommen habe. Selbst mit den Handschuhen ist der Stacheldraht verdammt gefährtlich. Bester militärischer Draht. So scharf, das man sein Steak damit schneiden könnte. Oder sich rasieren. Obwohl man dann eher so aussieht wie ich. Und wer will das schon? Wer schaut schon so einen Typen wie mich an? Ausser Goldie...

Ich versuche den Gedanken zur Seite zu schieben und mich auf den wunderbaren Stacheldraht zu konzentrieren. So scharf das er durch Fleisch und Knochen wie ein heisses Messer durch Butter schneidet. Das soll er auch, schliesslich will ich Kevin ein paar Überraschungen aufbauen.

Gut das Wendy genug Geld hatte und meine Ideen umzusetzen. Ist immerhin einen Versuch wert. Mehr als einen werde ich nicht bekommen. Und dabei kann ich ja auch meinen Spass haben...

Nachdem der Stacheldraht gespannt ist, kann ich die Handschuhe weglegen. Mit den Benzinkanister in der Hand beobachte ich das Haus. Warten ist das schlimmste. Reglos dasitzen und darauf warten das etwas passiert. Irgendwas. Ob überhaupt etwas passieren kann.

Da! Im Obergeschoss. Licht. Er ist noch da. Trotz allem geht es mir besser. Bis ich merke wohin er geht. Nach unten, in die Küche. Anscheinend hat er Hunger. Auf einen Snack. Ich kann mir vorstellen auf was für einen. Jeder Rest von Untentschlossenheit entweicht. Ich merke wie etwas in mir hart wie Stein wird. Die Demütigung, das Unmöglich, ja das Undenkbare was ich mit eigenen Augen gesehen habe, läßt diesmal nicht mir die Galle hochsteigen. Diesmal weiss ich einfach, das ich es tun muss. Tun will. Für mich. Für Wendy. Für all die armen Nutten. Für Goldie.

Nur für Goldie.

Die Ruhe die mich durchdringt ist es, die mir zeigt, was ich zu tun habe. Jeder Schritt geplant, doch jetzt ist es soweit. Mit einem tiefen Atemzug sauge ich die Luft in meine Lungen. Luft die geschwängert ist vom Geruch des Bezins, die mit dem schnarrenden Klicken des Feuerzeugs erfüllt ist, und vom plötzlichen Brandgeruch als ich den Lappen in Brand stecke, der im Benzinkanister steckt.

Ich warte nicht darauf, das der Lappen richtig brennt. Ich laufe einfach Los. Jetzt oder nie. Zwanzig Liter feinstes Super-Benzin, ein gigantischer Molotow-Cocktail. Über den Zaun hinweg werfe ich den Kanister. Kaum habe ich ihn losgelassen weiss ich das ich richtig geworfen habe. Kein Fehler, völlig präzise trifft der Kanister das Küchenfenster.

Noch bevor die Küche wirklich brennt springt eine Gestalt aus dem Fenster. Wirklich unglaublich wie schnell der Typ ist. Ich habe noch nie jemanden getroffen der es mit ihm aufnehmen konnte. Wie komme ich eigentlich auf die Scheißidee das ich es könnte? Mann, der Typ war so schnell aus der Küche als hätte er es gewußt was kommt!

Die Druckwelle der Explosion, die meine Ohren klingel läßt hohlt mich aus meiner Erstarrung. Es ist jetzt keine Zeit zu zweifeln. Der Plan muß klappen. Sonst ist es zu spät für mich, für Wendy. Für Goldie. Ich darf nicht versagen. Diesmal nicht, Kevin.

Leider verfehlen auch die bleiernen Grüße die Gladys ihm entgegenhustet ihr Ziel. Ich hatte sowieso nicht richtig geziehlt. Er soll nur wissen wo ich bin.

„Gefällt dir das, Kevin?“

Hoffentlich hört er mich. Vorsichtshalber jage ich das ganze Magazin in seine Richtung. Gladys wird eh nicht viel von Nutzen sein, bei dem was jetzt kommt.

Erstaunlich, der Typ brennt sogar. Für was hält der sich? Supermann? Schnell genug ist er ja. Er versucht noch nichteinmal die Flammen auf seinem Rücken zu löschen. Aber er hat mich offensichtlich gehört. Er kommt. Ja, Kevin, komm her, lauf Kevin, lauf. Die Kugeln schlagen zwischen seinen Beinen auf und er versucht wie ein Hase ihnen auszuweichen. Spring Kevin, spring...

„Komm schon, oder hast du Angst!“

Und jetzt das wichtigste. Die Handschellen. Meine einzige Chance. Ich lege mir eine Handschelle an meinen linken Arm. Und lasse sie einrasten. Kurz überschleicht micht die Erinnerung an die Handschellen im Knast, aber zum Glück nur kurz. Die Axt in meiner Rechten. Jetzt kann es losgehen.

„Komm schon her Du Hurensohn...“

Er ist schon fast am Stacheldraht. Bitte schau nicht hin, schau nicht hin,

Verdammt, er hat ihn gesehen. Der Sprung ist einfach unglaublich. Er springt nicht nur über den Draht hinweg, verdammte Scheisse, er fliegt!

Der Aufprall ist enorm. Ich bin mal von einem Lastwagen angefahren worden und das was angenehmer. Er trifft mich hart am Kopf so das ich Sterne sehen. Bloss nicht ohnmächtig werden. Das ist verdammt hart. Noch im Fallen verpasst er mir einen weitern Tritt. Es ist so verflucht schnell. Bevor ich richtig reagieren kann hat er mir bereits mit seinen angeschärften Fingernägeln mein Handgelenk aufgeschnitten. Meine rechte Hand ist taub, die Axt verloren. Ich hatte nicht wirklich gedacht das es so einfach ginge, aber es sieht noch schlechter aus als ich befürchtete. Bleiben nur noch die Handschellen.

Eine Atombombe explodiert zwischen meinen Beinen. Verdammt, ich habe mich bisher kaum bewegt. Wenn das so weitergeht bin ich Mus und er schwitzt noch nicht mal. Der Tritt in den Nacken bringt mich zu Boden. Wieder spucke ich Zähne. Wieder Blut. Wenn das so weiter geht kann ich bald gar nichts mehr kauen. Er kniet bei mir, schein zu erwarten das ich aufgebe.

„Ist das schon alles, Arschloch?“

Der Tritt ins Gesicht bringt mich erstaunlicherweise auf die Beine, wenn auch nur um schon wieder die Hölle zwischen meinen Beinen zum Glühen zu bringen. Aber jetzt kommt er näher. Komm her Kevin, komm ganz dicht an mich ran. Ich kann es schaffen. Fast. Kann es schaffen...

Gut, er fängt an seine Hände zu benutzen. Ich kann es schaffe, komm benutz deine Hände, elender Bastard. Ich greife ihn und halte ihn fest. Jetzt ist er zu nah um die höllischen Tritte auszuteilen. Er windet sich wie ein Aal und ist viel stärker als ich dachte. Und seine Fingernägel sind immer noch scharf und schneiden meine Stirn auf, so daß ich nichts mehr sehen kann.

Aber das ist okay, ich werde meine Augen nicht brauchen, Kevin...

Das einrasten der Handschellen sind wie Balsam für meine Seele. Endlich!

„Jetzt habe ich Dich Du Bastard! Jetzt bin ich dran!“

Erstaunlich wie er es schafft trotz der Hanschellen so schnelle Tritte anzubringen. Mach nur, ich halte das aus. Und Blut oder nicht, ich finde dich...

Eine Zeitlang versuche ich einfach mein Herz zu beruhigen und das Brennen aus meiner Lunge zu bekommen. Mein Körper sind ein Lied von Schmerz, ein Versprechen für das was noch kommt. Wenn ich die Nacht überlebe wird das ein ganz, ganz schlimmer Morgen.

Die Nacht ist still. So still das selbst die Grillen laut und unpassend erscheinen. Die Nacht wird durchrissen durch das leise Knistern von Stoff und leichten Schritten auf dem Grass. Und dem Duft. Der Duft der ohne Umweg über die Lungen mein Innerstes erfüllt, den Kopf, den Bauch und meine Eier.

„Lass es mich machen Marv. Sie war meine Schwester.“

Die Pistole zittert in ihrer Hand. Ob vor Wut oder Angst kann ich nicht sagen. Nein, Wendy, so einfach mache ich es ihm nicht.

„Du solltest nicht hierherkommen, Wendy. Du sollst im Auto bleiben.“

Besser sie bekommt nichts davon mit. Sie ist zwar hart für eine Frau, aber das wird schmutzig.

„Aber, ich...“

„Es tut mir leid.“

Der Schlag war nicht stark, aber er traf sie völlig unvorbereitet. Ich merke wie tief ich gesunken bin, das ich jetzt schon Frauen schlage. Ausgerechnet Wendy. Aber ich habe noch nicht einmal angefangen mit Kevin. Ich habe noch soviel vor. Und das kann ich nicht tun wenn Wendy dabei ist. Sie würde nur Albträume bekommen. Oder schlimmeres. Ich werde davon Albträume bekommen.

Nach einer halben Stunde bin ich ganz gut vorangekommen mit Kevin.

„Weißt du, ich bin ganz schön fertig. Weniger von dem Kampf, sondern eher vom Sägen und binden. Es ist nicht so einfach wie es aussieht.“

Es ist wirklich eine gute Säge die wir gekauft haben.

„Aber ich will mich mal selber loben. Ich bin echt gut, das ich genügent Extraschlauch mitgebracht habe. Einiges davon ist schließlich kaputtgegangen.“

Nicht das ich damit nicht gerechnet habe. Abbinden ist nicht so einfach. Und wenn man einen Knoten wieder und wieder löst um die Abbindung ein bischen zu verschieben, dann belastet das den Schlauch.

„Es wäre auch eine ganz schöne Schweinerei geworden, wenn ich nicht Ersatz mitgebracht hätte. Auch wenn ich zugebe das es nicht alles so glatt gegangen ist.“

Kann man so sagen. Ich habe aber versucht die Blutlachen klein zu halten. Mehr als ein paar hundert Mililiter hat er sicher nicht verloren. Nichts lebensbedrohliches.

Auch die Abbindungen sind nicht lebensbedrohlich. Eher im Gegenteil. Ohne sie wäre er schon verblutet. Er war war noch komplett. Aber nicht am selben Ort. neben mir war ein netter Haufen. Hände. Füße. Beine. Arme.

Nur sein Grinsen habe ich ihm noch nicht aus dem Gesicht gesägt. Geduld, Marv...

„Na gut, ich kann auch die Warheit sagen. Ich wollte die eine oder Andere Blutlache. Um den Duft ein bischen zu verteilen. Damit uns ein alter Freund von Dir uns Gesellschaft leistet.“

Ein tiefes Grollen kündet unseren Gast an. Der Geruch von Blut hat ihn angelockt. Wölfe essen kein Aas, sondern nur frisches Fleisch. Lebendes Fleisch. Aber wenn sie Blut riechen schauen sie nach. Es könnte ja noch was leben. Wie hier.

„Lass uns doch mal sehen was passiert, wenn ich eine von den Binden hier löse...“

Ich löse die Binde an seinem Bein so, das frisches Blut herausquillt. Natürlich schön langsam, Kevin möchte ja sicherlich was davon haben und nicht gleich Ohnmächtig werden.



Er schreit nicht. Nicht ein einziges mal hat er geschriehen. Nicht einmal die Miene verzogen. Auch jetzt nicht. Der Wolfshund frisst seelenruhig sein Herrchen und er verzieht keine Miene. Es ist wie eine Niederlage. Kein einziger Schrei. Ich habe es mir so gewünscht ihn schreien zu hören, wimmern, vor Schmerz sich windend.

„Guter Hund. Friss, guter Hund.“

Ich habe ihn am Boden und trotzdem gönnt er es mir nicht. Nicht ein einziges Wort. Nur dieses schwachsinnige Grinsen.

Nicht einmal als der Köter satt ist und Kevins Eingeweide vor ihm im Gras liegen, kommt ein Laut über seine Lippen. Scheisse, eine Crackbraut auf Speed hätte es spätestens gemerkt wenn der Köter die Eier abgerissen hätte. Das Vieh hat den halben Darm verspeist und Kevin hat nur gelächelt. Er starrt mich nur an. Sogar als ich die Säge nehme und die Sache beende.

Er hat nicht ein einziges mal geschriehen!

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