Drei Stunden später. In der viel zu hellen Zimmerbeleuchtung sah das herzförmige Bett in dieser Absteige viel zu kitschig aus. Der Fernseher war schon vor zehn Jahren alt. Und die Bibel auf dem Couchtisch schien ein Überbleibsel aus längst vergessener Zeit zu sein. Wer hierherkam, kam nicht, um die Bibel zu lesen. Ich hatte meine Hose wieder angezogen und meine Stiefel zugeschnürt. Durch das Fenster flackerte die Neonreklame des Stundenhotels. Mein Kopf fühlte sich einige Nummer zu groß an und dieser kalte Klumpen in mir stellte sich als mein Magen heraus. Mir wurde klar, daß Goldie tot war.

Sie lag da, wunderschön, perfekt auf diesem Bett, die Decke war ihr bis zum Nabel heruntergerutscht und ihre perfekten Brüste hatten nichts von ihrer Anmut verloren. Nur das sie sich nicht mehr bewegten. Das war aber auch das einzige Zeichen dafür, da sie nicht mehr lebte. Und es gab auch keinen Hinweis darauf, daß es nicht einfach ein Herzanfall war, den sie im Schlaf hatte. Keinen - außer dem kalten Klumpen im Bauch, der immer kälter wurde...

Die Zigarette, die ich aus dem Päckchen schüttelte, fiel zu Boden. Ich hob sie auf und fühlte mich einfach nur noch mies. Es waren zu viele verfluchte Male in viel zu vielen verfluchten Jahren, als daß ich dieses Gefühl auch nur anzweifeln konnte.

Sie wurde ermordet und ich war da als es geschah. Ich lag direkt neben ihr, betrunken wie ein Schwein, genau wie sie. Verdammt, Goldie! Wer warst du und wer wollte Dich tot? Wer warst Du außer einem Gnadenengel der einem zweifachen Verlierer wie mir die Nacht seines Lebens schenkte? Gott alleine weiß warum, es war sicherlich nicht mein Aussehen. Nicht mein Aussehen oder sonst etwas, was an mir ist. Weiber mit nicht mal einem Zehntel von dem, was du zu bieten hast, schreiben mich als das Macho-Schwein ab, das ich bin. Warum also diese heruntergekommene Bar? Warum das leise Lächeln? Warum die Freundlichkeit?

Die Zigarette fängt Feuer und knistert als die Glut den Tabak frißt. Ich ziehe den Rauch tief ein, aber er läßt daß altbekannte Gefühl nicht verschwinden.

Warum, frage ich Dich jetzt. Als Du Angst bekamst, habe ich Dich nicht gefragt. Als Du gezittert hast, habe ich Dich nicht gefragt. Und auch nicht als Deine Augen groß wie die eines Kindes wurden, habe ich Dich nicht gefragt. Nein, da nicht. Da war es mir scheißegal was Dir zu schaffen machte.

Etwas dringt wie ein Schrei zu mir herein. Es nähert sich. Der Schrei wird zu Sirenen. Polizeisirenen die in meine Richtung fahren. SinCity Bullen. Sie verraten mir viel. Sie sind da, bevor irgend jemand außer mir und dem Killer wissen kann, daß es überhaupt einen Mord gegeben hat.

Es ist zu spät sich zu verstecken. Und es hat auch keinen Zweck, den guten Bürger zu spielen. Die Bullen von SinCity waren schon so manches mal hinter mir her, meistens zu Recht. Diesmal werden sie nicht den Fehler machen, mich am Leben zu lassen. Ich bin kein braver Bürger. Kein Vorzeigeobjekt. Niemand, den man in der Stadt haben will. Mehr jemand, den man am liebsten von den Schuhen kratzt und mit der Stadtreinigung in den Gully spült. Wenn es in SinCity eine Stadtreinigung gäbe. Verdammt.

Es gibt diesmal keinen Grund leise zu spielen.

Es gibt diesmal keinen Grund nach anderen Regeln als nach meinen zu spielen.

Ich greife meinen Trenchcoat und ziehe den Gürtel straff. Ein letztesmal lasse ich meinen Blick über diese göttliche Frau gleiten, versuche noch etwas von dem Leben zu erahnen, das nur wenige Stunden zuvor in ihr gewohnt hat. Aber alles was mir bleibt, ist ihre Hand zu halten und den verfliegenden Engelsduft, den sie verströmt, in mich aufzunehmen. Ein letztes Mal versuche ich mir Ihr Gesicht in mein Gedächtnis einbrennen... Goldie...

Wer auch immer dich getötet hat, wird dafür bezahlen, Goldie...

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