Der Regen hat endlich aufgehört. Die Straßen werden im gleichem Maße wieder lebendig wie die Feuchtigkeit in den Kanälen versickert. Für mich wird es Zeit in die Altstadt zu gehen, das Herz der Stadt auch wenn viele es nicht wahr haben wollen. Hier gibt es alles, alles was du für Geld kaufen kannst. Was es hier nicht gibt sind Bullen. Die Gesetze hier werden von denen geschrieben die hier leben – die Huren. Versuch dich nicht mit Ihnen anzulegen. Das macht niemand zweimal. Meist nicht einmal.

Die Ware liegt bei jedem Wetter aus. Egal wie kalt es ist. Schon bald werden hier Limousinen mit getönten Scheiben hinter verstaubten Pick-Ups rumfahren und das Geschäft wird laufen. Das Geschäft läuft immer. Ganz egal was kommt. Es ist das Geschäft.

Die Altstadt ist der Grund warum niemand dieses Rattenloch Basin City nennt. So wie es auf den Strassenkarten oder auf dem Ortsschild steht. Es war nicht immer so. Damals, als der Gold Rausch diese Stadt in blühendes Leben verwandelte, gab es keine Altstadt. Doch als der Goldrausch verschwand, verschwanden auch die Siedler. Der alte Roark, Staint Patricks Großvater, hatte die grandiose Idee die Attratktionen zu importieren. Jeden einzelnen Cent gab er dafür aus.

Sex.

Er kaufte Huren aus der ganzen Welt. Ich spreche hier nicht von Nutten die für nen zwanziger die Beine breit machen oder Junks die es auch mal für eine halbe Kippe tun. Ich rede hier von der edlen Sorte. Teuer. Gut. Aus Paris und so. Er holte sie alle. Es sprach sich schnell herum und die Leute kamen. Von weit her sogar. Bald wurde Basin City zu einem beliebten Ausflugsziel zumeist männlicher Touristen. Es ist es heute noch – Traditionen werden in der Altstadt gepflegt. Von Mutter zur Tochter.

Über eine Stunde frage ich schon nach Goldie. Aber ich bekomme nicht eine Antwort mit der ich was anfangen kann. Aber ich weiss, das es die Antworten hier geben muss. Hier in der Altstadt. Lucille hat gesagt, Goldie wäre eine Nutte. Und wenn sie eine war, dann hat sie ihre Wurzeln hier. Ihre Wurzeln und ihre Freunde. Vielleicht sogar Familie.

Der Knall einer Pistole läßt mich völlig unerwartet zusammenzucken, im gleichen Moment trifft mich ein Hammerschlag in der Schulter und ich werde zurückgeworfen. Der sengende Schmerz den die Kugel in meiner Schulter verursacht treibt mir die Tränen in die Augen. Ich versuche zu erkennen woher der Schuss kam und den Angreifer auszuschalten. Doch als ich den Schützen erkenne gefriert mir das Blut in den Adern, unfähig mich zu rühren starre ich sie an.

Das kann nicht sein! Sie ist tot! Goldie lebt nicht mehr, ich habe es mit eigenen Augen gesehen, verdammt, ich war dabei!

„Du bist nicht Goldie!“ rufe ich Ihr zu, „Goldie ist tot!“. Doch ich erkenne Sie, ihr Mund, ihre Augen, ihr Haar, ihr wunderschönes Gesicht, vom Hass verzerrt zu einer Grauenhaften Maske des Racheengels der sie ist, zu Rächen mein Versagen, sie nicht zu beschützen als sie es brauchte. „Ich kann nichts dafür!“ will ich Ihr entgegenrufen doch der nächste Schuß trifft meinen Kopf und mir wird schwarz vor Augen. Goldie, Goldie, aus der Hölle in die ich dich Fahren ließ kamst du wieder um dich zu rächen....

Nur langsam lichtet sich der Nebel in dem ich schwebe. Mal wieder. Niedergeschlagen, niedergeschossen. Es scheint als kämen die Leute langsam auf den Geschmack. Niedergeschossen? Wer... Goldie! Goldie war es!

Langsam versuche ich meine Augen zu öffnen und es erfordert außerordentliche Willensanstrengung dies zu tun. Ich spüre die dicken Taue die meinen Körper an den Stuhl fesseln. Es sind gute Knoten, die Stricke sind sehr fest, so fest das es mir das Blut in den Armen abschnürt. Der Raum in dem ich mich befinde ist düster, ich kann nur Schemen erkennen. Direkt vor mir. Diese Silhouette... „Goldie, du. Natürlich.“ Mehr ein Krächzen als eine Stimme entfährt es mir.

„Es ist alles in Ordnung. Es ist meine Schuld, alles. Ich habe seit Tagen weder gegessen noch geschlafen oder meine Medizin genommen. Es ist also kein Wunder das ich Halluziniere.“

„Ich bin kein Gehirnklemptner, aber ich weiß wenn ich verrückt bin. Im Moment liege ich wohl irgendwo in der Gosse und rede mit mir selber.“ Die Erkenntnis überrascht mich gar nicht. Wahrscheinlich war alles ein wenig viel. Ich habe ein Mädchen gesehen in der Bar, nicht Betrunken und meine Medizin nicht genommen. Dann habe ich mir alles eingebildet. Ganz einfach. Irgendwann hat man mich bei Kadies wohl vor die Tür gesetzt. Ich war einfach zu betrunken es zu merken. Außerdem ist Goldie tot. Dessen bin ich mir sicher, so oder so, ich muss mir einbilden was ich sehe.

„Schwein!“ Goldies Stimme so voller Hass... Der Griff der Pistole trifft mich im Gesicht, der Schmerz ist wie eine Erfrischung. Ich bilde ihn mir sicher wieder ein, genau wie das Blut das meine Gesicht herunterläuft. Ich muss verrückt sein. Völlig hysterisch fange ich an zu Lachen. Ein Traum, nur ein Traum...

„Hurensohn.“ höre ich Goldies Stimme. „Er ist verrückt.“ ein weiterer Schatten spricht. Ein anderer Schatten, ganz in Leder mit Nieten und einer Peitsche bewaffnet bewegt sich. Wie der Folterknecht der Hölle... „Er tut nur so, Wendy, schlag ihn härter!“. Wer war Wendy? Ein vierter Schatten hat bisher noch gar nichts gesagt.

Diesmal schlug sie mit dem Lauf der Waffe in mein Gesicht und meine Lippe platzt auf. Frisches eingebildetes Blut läuft meinen Hals herunter. Ein nagendes Gefühl macht sich in meinem Hinterkopf breit. Okay, ich bilde mir das alles nur ein, oder? Oder habe ich irgendwas übersehen?

„Du solltest mich nicht so schlagen, Goldie. Mit dem Lauf meine ich. Du wirst ihn noch verbiegen und die Pistole wäre dann nutzlos. Wenn du jemand mit einer Pistole verprügelst, mach es richtig und benutze den Griff wie das erste mal.“ Kaum das ich zu ende gesprochen habe, trifft mich die Pistole auf der anderen Seite. Ich spüre wie ein Backenzahn abbricht. Der Metallgeschmack in meinem Mund wird immer schlimmer. Ich bilde das zwar alles nur ein, aber diese Halluzination ist erschreckend real. Das nagende Gefühl wird immer schlimmer. Irgendwas habe ich übersehen. Aber was nur? Ein Name, ein Name der hier nicht hingehört. Ein Name der nicht passt. Wendy. Wer war Wendy. Wendy war die die mich schlagen sollte. Die die mich geschlagen hat. Wendy?

„Moment mal, warum hat sie Dich Wendy genannt?“

„Weil das mein Name ist, du Hund! Goldie war meine Zwillingsschwester!“ schreit Goldie, nein Wendy, in mein Gesicht. Ich kann ihr wunderbares Parfum riechen, ihre zarte Haut fast fühlen...

„Das war dann wohl die nette von Euch beiden...“.

Ich hätte das nicht sagen sollen. Nicht einmal einer Einbildung. Wieder und wieder trifft mich der harte Griff der Waffe, immer neue Wunden platzen in meinem Gesicht. Kann ich mir das noch einbilden? Ist das wirklich nicht real? Wendy, Goldie. Nur Zwillinge? „Härter“ höre ich den Folterknecht rufen und wieder und wieder trifft mich der Knauf der Waffe. Warum werde ich eigentlich nicht bewusstlos? Der Schmerz ist irgendwie weit entfernt. Als würde er nicht zu mir gehören.

„Ich bringe Dich um! Ich bringe Dich um du Mistkerl! Aber erst wirst du reden.“ Wieder kann ich Ihren zarten Duft wahrnehmen. Aber ist das wirklich Goldies Duft? Er ist gleich und doch anders... „Goldie und die anderen sechs? Wo sind sie? Was hast du mit ihnen gemacht?“.

Gemacht? Ich? Mit Goldie? Und welche anderen sechs? Ich habe sechs Köpfe gesehen, auf Kevins Farm. Aber ich?

Ein Bild von fünf Köpfen wie Trophäen an der Wand erscheint vor meinem Inneren Auge, plötzlich weiss ich wovon sie spricht. Es ist kein Traum! Ich bin nicht verrückt! Im Gegenteil! Alles ist ganz klar auf einmal.

„Du verrückte Ziege! Du verstehst überhaupt nichts! Schau mich doch mal an! Schau mich doch einfach mal an! Hätte auch nur eine von Euch mich so nahe an sich herangelassen das ich sie hätte töten können? Auch nur eine?“ Der Zorn ließ mich am ganzen Körper zittern. Sie hatten nichts verstanden, gar nichts. Wie alle. Keiner hatte es verstanden. Nur ich...

„Verdammt richtig! Keine hätte, keine von euch außer Goldie. Und sie tat es nur weil sie dachte ich könnte sie beschützen. Aber ich war zu betrunken. Und ich wette das die Bullen nichts wegen der anderen Mädchen unternommen haben. Sie haben gar nichts unternommen, stimmts? Aber als sie mich als Sündenbock hatten, da tauchten Sie plötzlich mit gezogenen Waffen auf, da konnten Sie etwas machen. Versteht ihr überhaupt was ich euch sage?“

In ihrem Blicken spiegelte sich nur die Verwirrung. Keine verstand was ich sagte, keine wollte es hören. Es war verrückt, sicher. Schließlich hatte die Polizei ja „Beweise“. Und was hatte ich? Ein hässliches Gesicht mit dem ich meine Unschuld beweisen wollte? Das ich nicht lache...

„Aber sie haben mich nicht bekommen und ich habe seit dem solange getötet bis ich die Wahrheit herausgefunden habe und ich bin verdammt nah dran alles zu wissen. Na los, Puppe, erschieß mich jetzt. Oder geh mir zum Teufel aus dem Weg!“

Ein eisiges Schweigen lastete auf dem Raum. Es war mir völlig egal ob ich zu weit gegangen war. Wenn sie mich töten wollten, dann sollten sie es halt tun. Ich war es einfach leid. Leid mich rechtfertigen zu müssen, wo es nichts rechtzufertigen gab. Mein Leben war eh vertan.

„Oh Mist.“ Der Folterknecht war die erste die Ihre Sprache wiederfand. Auf ihr sprach die ganze Verzweiflung die sie empfinden musste.

„Ich bin froh das wir das jetzt erledigt habe.“ Mit einer einfachen Bewegung stand ich auf und ließ die Seile die mich banden fallen. Haben diese Mädchen wirklich gedacht das sie mich damit aufhalten können? Lachhaft. Das Entsetzen verzerrt ihre wunderschönen Gesichter als Ihnen klar wird, dass ich es war der zugelassen hat, dass sie mich schlagen. Besonders der Folterknecht scheint entsetzt, waren es doch ihre Knoten die mich halten sollten. „Gott, Knoten sind doch meine Spezialität!“.

„Du hast die ganze Zeit da gesessen, hast jeden Schlag eingesteckt und hättest mir jederzeit die Pistole abnehmen können...“ Die Verwirrung war auf Goldies – Wendys – Gesicht deutlich zu erkennen.

„Sicher.“ Ich fand in meinem Mantel eine Zigarette und ein Feuerzeug und steckte mir die Zigarette erst mal an. „Aber ich dachte, das ich dich zur Vernunft bringen könnte. Außerdem hätte ich dich wahrscheinlich schlagen müssen um an die Waffe zu gelangen.“ Die Verwirrung in Ihrem Blick wurde immer größer. „Und ich schlage keine Mädchen.“

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