Es regnet nicht wirklich oft in SinCity. Und wenn es mal regnet ist es eher ein Schauer. Warm wie Pisse und meist kommt es nicht einmal auf dem Asphalt an.
Aber vielleicht zweimal im Jahr ist es als ob der Wüste es satt hat und alles gibt, eiskalten Regen der durch alles hindurchgeht und Dich in Sekunden durchnässt und deine Knochen gefrieren lässt, die Strassen werden zu Spiegelblank und Du weißt nicht mehr ob du schon ersäufst oder noch über Wasser stehst.
Die meisten Leute hassen diesen widerlichen Regen.
Ich nicht.
Ich liebe ihn.
Er hilft mir beim Nachdenken.
Ich bin nicht wirklich helle. Aber ich fühle mich heller wenn alles um mich herum glitschig wird und die Leute in den Strassen ausrutschen und mit aus dem Weg gehen.
Ich liebe den Regen.
Ich liebe das eisige Gefühl wenn er meinen Nacken herunter kriecht.
Ich liebe es wenn die Luft sich auflädt und alles so klar wird.
Du atmest tief durch und spürst wie deine Kopf frei wird.
Genau das mache ich dann. Ich atme durch und gehe dorthin wo meine Füße hinwollen.
Und ich denke nach.
Meine Augen sind immer auf der Hut vor einem Polizeiwagen oder einem einsamen Polizisten, aber meine Gedanken wandern tief in mir drinnen. Und versuchen die Puzzleteile Stück für Stück zu sortieren. Wieder einmal. Ich versuche Teile zu finden, die zusammenpassen. Einen Hinweis auf das Ganze. Auf das was hinter allem Steht.
Aber jedesmal komme ich wieder zurück zu dem was der Polizist mir gerade erzählt hat, bevor ich ihn erledigt habe.
Er war ein harter Brocken und ich war ziemlich sauer über das, was er mit Lucille gemacht hat. Also habe ich mir Zeit gelassen. Viel Zeit.
Eigentlich hat er erst geredet, als ich ihm die ganzen Körperteile gezeigt habe – seine Körperteile. Und dann war er an der Reihe zu lachen, über den Ausdruck in meinem Gesicht und er starb in dem Wissen das ich mir wünschte er hätte besser geschwiegen.
Es war nur ein Name. Ein einzelner Name. Ich fühle mich so kalt, so innerlich eiskalt. So kalt das ich zittere am ganzen Körper. Es ist eine andere Kälte als sie der Regen mir gibt, der unbarmherzig auf mich eindrischt. Obwohl ich mich nie als jemand gesehen habe, der Mitleid verdient, so bemitleide ich mich selbst. Nur dieses eine Mal. Warum?
Warum dieser Name?
Als der Priester ihn mir nannte, das ich, er wollte mich in die Irre führen. Jetzt jedoch... Es kann kein Zufall sein.
Dieser Name.
Ein Name.
Roark.
Roark!
Verdammt!
Jeder einzelne Millimeter von mir will den Schwanz einziehen und aufgeben. Einfach in den nächsten Laster oder auf den nächsten Zug springen und nichts wie weg. Weg aus dieser Stadt. Einfach nur weg, weg, weit weit weg. Irgendwo in einer Höhle verkriechen und alle vergessen, Goldie, Lucille und den leisen, tödlichen Kevin.
Verdammter Roark. Ich bin so gut wie tot. Ich bin tot.
Ich bin kein verdammter Held. Kein Ritter in schimmernder Rüstung. Ich bin noch nicht einmal ein Rächer in Schwarz. Ich habe weiche Knie und fühle mich zum kotzen. Ich könnte mich wie ein kleines Kind irgendwo zusammenrollen und heulen. Und selbst wenn mein Leben nichts als eine endlose Hölle voll Rotz wäre, wäre es doch nichts anderes als es immer schon war. Ich habe verdammt noch mal mehr Angst vorm Sterben als vorm Leben.
Nein, ich bin wirklich kein Held. Nicht im geringsten. Helden laufen nicht durchnäßt und zitternd durch den Regen in den kein Mensch seinen Hund jagt. Helden fühlen sich nicht von der Wahrheit mehr verarscht wie von einer Lüge. Helden müssen nicht auf Regen warten damit niemand die Tränen sieht...
Aber Goldie hat sich auf mich verlassen. Sie war da. Und ich stehe in Ihrer Pflicht. Auch wenn Sie nie ein Wort gesagt hat, warum sie tat was sie tat, ich stehe in Ihrer Schuld. Und diese Schuld wird mich nie verlassen, sie wird immer da sein, solange ich lebe. Egal wo ich hingehe, egal wo ich sein werde, ich werde immer den liebliche Duft ihres Parfums riechen. Ich werde Ihren Mund und Ihre Augen sehen und ihren unglaublichen makellosen Körper. Ich werde sie hören und werde sie schmecken und ich werde wissen das ich es war, ich ganz alleine der die Dinge wieder in Lots bringen konnte. Ich würde mich dafür hassen wegzulaufen, so wie ich mich hasse es nicht zu tun. Aber es spielt sowieso keine Rolle mehr. Du wusstest es, oder? Von Anfang an wusstest du es, dass du mich nicht loslassen würdest, das ich für immer gefangen bin und niemals wieder frei sein werde, wenn ich nicht tue was ich tun muss?
Du hattest Angst, Goldie. Fürchterliche Angst. Irgendjemand wollte deinen Tod und du wusstest es. Also bist du in die Kneipen gegangen. Die richtig üblen. Dort suchtest du dir den stärksten und miesesten den du finden konntest. Dort fandest du mich. Du hast nach einen Beschützer gesucht den du mit deinem Körper bezahlt hast. Mit Liebe, mit Feuer. Du hast mir das Gefühl gegeben dein Ritter, dein Prinz zu sein. Ein verdammter Held.
Ein Witz.
Du wolltest das ich dich beschütze. Aber als der Hurensohn kam um dich zu töten war ich völlig besoffen.
Ausgeknipst.
Nutzlos.
Du hast bezahlt und ich habe dir nichts dafür gegeben. Gar nichts. Doch ich werde meine Schulden begleichen. So wie ich sie immer beglichen habe. Ich bin tot. So oder so. Wenn ich Roark für das bezahlen lasse, was er dir angetan hat, bin ich tot. Ob ich gewinne oder verliere. Ganz egal. Verdammt, der Tod ist mir gleichgültig. Solange ich dieses eine mal es richtig gemacht habe. Oh Goldie...
Aber zuerst muss ich rausfinden warum es so gekommen ist, wie es gekommen ist. Die Verbindung zwischen Roark und dir, und die Verbindung zu dem Kannibalen der dich umgebracht hat.
Dann werde ich wissen was ich zu tun habe...
Roark. Patrick Henry Roark. „Saint Patrick“ wirst du genannt. Aber das ist nur ein Spitzname. Jedenfalls hat der Papst es noch nicht offiziell gemacht. Es würde mich nicht wundern wenn das noch geschähe. Immerhin, der Roark Familie gehört SinCity seit die ersten Siedler Treks und Sechsschüsser hier aufgetaucht sind. Seit Generationen sind sie dabei aus Ihren Millionen Milliarden zu machen. Sie sind so etwas wie eine königliche Familien. Genauso mächtig, wenigstens genauso reich, dafür aber wesentlich verschlossener für alle Aussenstehenden. Die aktuelle Generation hat einen US-Senator, einen Staatssekretär – und Patrick Henry Roark. Kardinal Roark. Damals auf der Nonnenschule haben alle immer über Ihn geredet. Als Vorbild. Kriegsheld im Sanitätskorps. Philanthopist. Lehrer. „Er hätte President werden können“. Aber er beschloss Gott zu dienen. Ha! Gott! Welch schaler Geschmack dies Wort erzeugt! Gott! Er ist so etwas wie ein Gott. Der mächtigste Mann im Staate. Er hat Bürgermeister gestürzt und Gouverneuren zum Sieg verholfen.
Und er wird im Namen einer toten Hure sterben.
Ich gewöhne mich langsam an die Idee. Mir gefällt der Klang immer besser...
Meine Weg hat mich direkt zu dir geführt. Übermächtig, überlebensgroß türmst du dich vor mir auf, nur um mir deine Macht zu zeigen und wie unbedeutend ich eigentlich bin. Fünfzehn Meter hoch ist dein Standbild, das dir die Stadt zu Lebzeiten schuf, für deine Guten taten.
Ein bitterer Geschmack auf meiner Zunge mischt sich mit dem Salz meiner Tränen. Verfluchtes Schwein! Die Kugel die dich treffen solle prallt nutzlos an deiner Stirn aus Stein ab. Spürst du mich? Kannst du es fühlen? Der Mückenstich ist erst der Anfang. Oh ja, du wirst es spüren. Und du wirst wissen warum. Ich werde es dich wissen lassen. Und dann will ich dir zusehen wie du stirbst!
Gute Gladys, braves Mädchen. Das Lachen das sich aus meiner Brust bei deinem Anblick windet ist mir fremd. Und doch bin ich es der hier steht.
Auf einmal trifft es mich wie ein Donnerschlag und meine Eingeweide ziehen sich zusammen. Schmerzhaft, körperlich fühlbar überfallen mich die Zweifel die an mir nagen. Was, wenn ich unrecht habe? Wenn beide gelogen haben? Pfaffe und Bulle? Ein Intrigenspiel mit dem dummen Marv? Wenn jemand ganz anderes dahinter steckt und mich auf eine falsche, selbstzertörerische Fährte locken will? Ich kann nicht überleben, nicht gegen Roark. Und wenn er es gar nicht ist? Ich bin verwirrt, in meinem Zustand. Schliesslich habe ich keine Medizin. Ohne Lucille. Oh Lucille. Warum du? Was, wenn ich mir die Dinge nur einbilde? Genauso wie ich mir eingebildet habe das Goldie mich angreift, wo sie doch schon längst tot war. Wenn ich mir das alles nur einbilde? Angefangen bei Goldies lächeln bis zu dem Bullen der seinen Herrn verraten hat? Wenn ich jetzt das bin, von dem sie immer gesagt haben das ich es würde?
Ein verrückter Psychokiller? Ein Wahnsinniger? Ein Massenmörder der ohne Grund tötet? Höre ich Stimmen?
Ich muss sicher sein. Nichteinmal Roark, der tausend Tode verdient hat, nichteinmal Roark kann ich töten ohne sicher zu sein. Ich muss ganz sicher sein.