Diese Flaschen! Sie hätten mich einfach abknallen können. Ein glatter Kopfschuß und es wäre vorbei gewesen. Mehrere nur um sicher zu gehen. Aber nein. Stattdessen machen sie ein Sieb aus mir in dem noch genug leben ist, das man es wieder zusammenflickt. Was für eine Verschwendung. Die Narkose wirkt noch immer wie ein Nebel in meinem Kopf. Die Ärzte haben mich jetzt am Leib, die Ärzte und die Krankenschwestern. Diejenigen die die wirkliche Arbeit machen. Und mich wieder restaurieren. Ich komme eh auf den Stuhl, warum also die Mühe? Jeder weiss es. Aber es wird trotzdem gemacht. Was für eine Verschwendung.

Die Monate rasen nur so vorbei während ich durch Schläuche atme und esse. Ich kann mich noch nicht einmal selber waschen oder auf die Toilette gehen wie ein erwachsener Mann. Ich liege einfach nur da und die Schmerzmittel machen meine Tage zu einem rosa Traum und Nachts, wenn sie nicht mehr wirken zu einer schmerzhaften Qual.

Nacht für Nacht warte ich darauf dass jemand kommt ich die Sache zu Ende bringt. Aber es kommt keiner. Irgendwann wird mir klar, das es nicht so einfach wird. Ich bin nur ein Sandkorn im Getriebe aber ich habe eine Menge Schaden angerichtet. Es wird eine ganze weile dauern bis ich von den Zahnrädern zu Staub zermahlen bin.

Es geht hier nicht einfach darum mich umzubringen. Ich denke das sie ein Exempel an mit statuieren wollen. Ein leuchtendes Beispiel. Eine Abschreckung für andere. Eine Entschuldigung für ihr Versagen. Ihr Versagen denjenigen zu beschützen desses teuflisches Spiel sie spielten. Einsicht war noch nie eine Stärke der Menschen. Und wer will schon zugeben einem Kanibalen gedient zu haben? Lieber wird der häßliche Typ öffentlich exekutiert als das man versucht rauszufinden warum er das getan hat. Warum so viele Menschen sterben mußten. Aber was zählen schon ein paar Nutten und der Abschaum der Strasse? Im Vergleich zu einem Heiligen.

Ich bin keine zehn Minuten entlassen als die Bullen mir bereits wieder die Füße unter dem Körper wegtreten. Sie stellen keine Fragen. Sie schlagen einfach nur immer wieder zu und halten mir ein Geständnis unter die Nase. Ich spuke das Blut mit dem sich mein Mund füllt auf das Geständnis. Unwillkürlich muss ich lachen wie viele frische Kopien sie vorbereitet habe. Immer wieder holen sie neue weil jede mit Blut verschmiert wird...

Meistens spüre ich die Schläge kaum. In Gedanken bin ich weit weg. Ich sehe alles an mir vorbeiziehen, wie in einem Traum den ich schon oft geträumt habe. Manchmal ist es sogar richtig langweilig. Scheissbullen. Einfach keine Phantasie. Ich hatte mit Roark weit mehr Spass. Oh ja. Aber alles was ihr könnte ist auf mich einschlagen und mir dieses dämliche Geständnis unter die Nase halten.

Doch dann kommt dieser schmierige Staatsanwalt. Das heisst stellvertretende Staatsanwalt. Nicht einmal die Gelegenheit den richtigen Typen abzumurksen gönnt man mir. Jedenfalls stellt dieser Typ das Tonband ab und sagt, dass sie meine Mutter umbringen werden wenn ich das Geständnis nicht unterschreibe.

Leider kommt er mir zu Nahe und ich breche seinen Arm an drei Stellen bevor jemand regieren kann. Dann unterschreie ich das Geständnis.

Von da an ist alles nur noch Schmierentheater. Jeder will es so. Eine Farce. Ein Luststück. Sie bringen mich für Gericht wegen Mordes. Nicht nur an den Typen die ich umgebracht habe, sondern auch für Lucille und sogar die Mädchen die Roark und Kevin gegessen haben. Sogar für den Mord an Goldie.

Der Richter ist Feuer und Flamme als er das Urteil spricht. „Im Namen des Volkes.“. Wie oft hat die Geschichte diesen Spruch schon gehört. Aber diesmal jubelt das Volk. Auf den Stuhl soll ich gehen.

Das Volk, in dessen Namen ich hingerichtet werden soll sitzt mittlerweile vor den Toren des Knastes in den sie mich gesteckt haben. Eine Totenwache halten sie. Mit Six-Packs aus ihren Autos und insgeheim wünschen sie sich die Hinrichtung aus der Nähe sehen zu können. Aber soviele Plätze hat der Zeugenraum nicht. Sie werden sich wohl mit dem Flackern der Lichter begnügen müssen.

Mitternacht und mein Tod sind nur ein paar Stunden weit weg, als ich die erste Überraschung der letzten achtzehn Monate erlebe. Meinen einzigen Besucher.

Meine Zelle ist ein Kilometer weit weg von den anderen wixern, so daß ich ihre Absätze auf dem Zement lange höre bevor sie ankommt. Ich habe mit allem gerechnet, ausser mit diesem Duft.

„Ich habe es ihnen gezeigt, nicht wahr Goldie?“

Ich bin zu sehr in Gedanken. Goldie ist doch tot. Und jeder da draussen weiss, das ich es war...

„Tut mir leid, Wendy. Ich bin ein bischen durcheinander wenn ich Dich so sehe...“

„Es ist schon in Ordnung, Marv. Du darfst mich Goldie nennen.“

Unsere Lippen berührten sich, wie die Flügel eines Schmetterlings eine Rosenblüte.

Sie roch, wie die Engel riechen müssen.

Ihr Haar strömt lebendig über ihre Schultern.

Ihre perfekten Brüste drücken sich an mich.

Die Berührung ist wie der Himmel auf Erden.

Die perfekte Frau.

Eine Göttin.

Goldie. Sie sagte ihr Name wäre Goldie.

Meine Henkersmahlzeit ist ein wirklich gutes Steak. Ich bekomme sogar ein Bier dazu. Mein erstes seit der Nacht bei Nancy. Dann rasieren sie meinen Kopf und binden mich mit Gummibändern fest. Wenn ihr mich fragt ist es auch wirklich Zeit. Ausserdem nervt mich das gemurmel des Priesters gewaltig.

„Könnt ihr euch nicht ein bischen beeilen? Ich habe noch was vor!“

„Sie haben den Mann gehört. Geben Sie es ihm!“ Endlich mal ein Bulle der tut was man ihm sagt.

Die Sonne geht auf. In meinem Kopf. Als 10000 Volt durch mein Hirn strömen. Ich spüre die Hitze der Verbrennung. Eine Million Grad. Ich komme, Goldie, ich komme...

Nicht einmal auf dem Stuhl können Sie es richtig machen. Sie stellen den Strohm zu früh ab. Sie haben das Leben das in mir steckt unterschätzt.

„Ist das alles was was Ihr könnt, Ihr Jammerlappen?“

Meine Worte sind zwar nur ein Flüstern, aber sie können es trotzdem nicht auf sich sitzen lassen. Die Beleuchtung geht aus, weil der ganze Strom in mich hineinfließt. Oh ja, Goldie, für Dich, nur für Dich!

Ich sehe mich selbst sitzen und leicht qualmen. Der Priester fühlt meinen Puls. Doch der ist nicht mehr da. Es ist vorbei. Vorbei, Goldie. Endlich.

„Er ist tot.“

The End

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