Zitternd saß Nahmed neben Ulrike. Er wusst nicht wie lange er schon dasaß. Aber lange konnte er nicht mehr sitzen bleiben. Sicherlich haben die Nachbarn die Schüsse gehört und irgendwer wird dann doch die Polizei rufen. Selbst hier. Natürlich Anonym, aber wenn die Polizei ihn fand, würde er sich kaum herausreden können. Soviel Blut, soviel tod. Es schien als würde er alle mit ins verderben reissen.
Er versuchte Fenglin auf dem Handy anzurufen. Nach zwanzig mal klingeln gab er auf. Wohin sollte er gehen? Es gab für ihn kein zurück, keine Rettung. Die Polizei suchte ihn, soviel war für ihn klar. Aber wer war der Typ der hier in der Wohnung gewartet hat? Niemand der Oskar gut gesonnen war, soviel war klar. Eine interne Säuberung? Aber der Typ sah so nicht aus. Und wenn er auf jemanden gewartet hat, wird derjenige sicherlich gleich auftauchen. Nahmed wollte gerade aufstehen und verschwinden, als er etwas hartes, kaltes im Nacken spürte.
„Besser Du bewegst dich nicht.“
Nahmed hatte niemanden reinkommen gehört.
„Was...?“
„Ich stelle hier die Fragen. Wer bist Du?“
Als Nahmed nicht sofort antwortete bekam er einen schmerzenden Schlag auf den Hinterkopf der ihn quer über Ulrikes Leiche katapultierte.
„Nochmal, wer bist Du?“
„Nahmed.“
Er versuchte aufzustehen doch sobald er sich bewegte hörte er eine weitere Stimme.
„Keine Bewegung, Arschloch.“
Ihm blieb gar nichts übrig als liegenzubleiben und zu spüren wie Ulrikes Blut von seinem Hemd aufgesogen wurde.
Hinter ihm wurde leise getuschelt.
„Was machst Du hier?“
„Ich wollte zu Oskar.“
„Wer ist Oskar?“
Nahmed dämmerte das hier irgendetwas völlig schief lief. Langsam und vorsichtig deutete er auf den Sessel.
Schritte hinter ihm zeigten, das einer der beiden sich auf den Sessel zubewegte und hineinschaute.
„Hast Du den abgeknallt?“
„Nein, der war schon tot als wir kamen.“
„Und der andere?“
„Das war ein Unfall.“
„Die Frau...?“
„Querschläger.“
„Verdammt.“
Nahmed nahm seinen Mut zusammen und fragte ob er aufstehen könnte.
„Schön langsam.“
„Was eine Sauerei“ hörte er aus der Richtung des Sessels.
Es waren zwei Typen in schwarz, mit Gesichtsmasken und Gewehren bewaffnet. Sie sahen weder so aus, als würden Sie zu dem Typen mit der Natohose passen, noch konnten Sie zu Oskar gehören, da sie ihn ja nichtmal kannten. Die Kleidung war militärisch, Springerstiefel, Munitionsgürtel.
„Wer seid Ihr?“
„Das geht dich einen Scheissdreck an.“
Einer der beiden sprach in ein Funkgerät.
Schweigend warteten Sie mit auf Nahmed angelegten Waffen. Nach kurzer Zeit erschein ein Typ in Zivil, diesmal ohne Maske.
„Was ist hier passiert?“
„Wir kamen herein und da saß der Typ neben der Frau. Zwei weitere Leichen. Er behauptet die im Sessel wäre schon tot, der andere wäre ein Unfall. Die Frau auch.“
„Wow, drei Leichen, zwei davon ein Unfall?“ fragte der Neuankömmling.
„Was ist mit unserem Zielobjekt?“
„Nicht dabei.“
Nahmed verstand immer weniger. Das war doch die Wohnung von Oskar? Schliesslich lag er da im Sessel...
Der Neuankömmling schien eine Entscheidung getroffen zu haben.
„Nehmt ihn mit. Die Frau auch. Dann schickt einen Reinigungstrupp.“
In einem kleinen Raum, in dem nur ein Tisch und zwei Stühle aus Metall standen, ohne Fenster nur mit einer Stahltür an einer Seite wartete Nahmed darauf, das etwas passiert. Es war geradezu erleichternd als sich die Tür öffnete und „der Neue“ wie er ihn nannte hereinkam. Er hatte zwei Kaffee in der Hand und stellte einen davon vor Nahmed ab.
„Tut mir leid das es länger gedauert hat, die ganzen Formulare und so.“
Nahmed frage sich, ob er jetzt mitleid zeigen sollte. Aber dazu war er viel zu verwirrt und immer noch geschockt von den Ereignissen.
„Was ist mit Ulrike?“
'Der Neue' schaute ihn verwundert an.
„Nun, es wird ihnen nicht entgangen sein, das sie tot ist.“
In der plötzlichen Realisierung schnürte sich Nahmeds Kehle zu und er konnte nur unterdrückt schluchzen. Offensichtlich war das dem Neuen peinlich.
„Entschuldigung, ich bin manchmal ein wenig direkt.“
Was für eine Untertreibung!
„Wissen Sie wo sie sind?“
Es dauerte eine Weile bis Nahmed das als Frage erkannte und antworten konnte. Er fühlte sich leer, ausgebrannt und schuldig.
„Nein.“
„Ich bin Mark Levin vom BND. Sie befinden Sich in einem unserer Verhörräume. Keine Angst, wir werfen Ihnen nichts vor. Wir mischen uns generell nicht in die Aufgaben der Polizei. Aber sie waren am Zielpunkt einer Operation. Wahrscheinlich nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber wir würden gerne wissen was Sie dort wollten.“
Nahmed starrte ihn an, als ob er einen gebratenen Hamster servieren sollte.
„Was?“
„Genau, was haben Sie dort gemacht?“
„Ich habe gerade jemanden verloren, der mir sehr viel bedeute hat, bin daran Schuld uns Sie stellen mir blöde Fragen?“
Eine weile saßen sie sich schweigend gegenüber.
„Hören Sie, vielleicht fangen wir mit einfach Sachen an. Wie heissen Sie?“
Die leere in Nahmed schlug förmlich über ihm zusammen. Er konnte gar nichts mehr denken und antwortete automatisch.
„Nahmed Seyfried Meier.“
„Und was wollten Sie dort.“
„Ich wollte zu Oskar.“
„Der Tote im Sessel?“
„Ja.“
„Wie ist das abeglaufen?“
„Wir sind rein, die Tür stand offen. Dann kam plötzlich dieser Typ und bedrohte uns mit der Waffe. Nachdem er Ulrike Schlug bin ich auf ihn los. Dabei haben sich Schüsse gelöst. Als ich Aufstand war er tot. Ulrike auch.“
Die Tür öffnete sich kurz und ein Typ mit kurzgeschorenen Haaren kam herein und flüsterte dem Agenten etwas ins Ohr und legte ein Blatt Papier auf den Tisch.
„Nahmed, ich darf doch Nahmed sagen?“
Nahmed nickte. Es war eh alles sinnlos geworden.
„Nahmed, vielleicht wissen können Sie uns etwas über den Grund erzählen, warum Sie zu Oskar wollten?“