{[Winter]}

Kalt.

Nicht so kalt wie letzte Woche. Aber trotzdem kalt.

Er sehnte sich nach der Wärme des Sommers. Abends in der Sonne sitzen. Vielleicht mit einem Glas Wein. Oder einfach im Gras liegen. Aber der Sommer war noch lange hin.

Ein leichter Niesel kam vom Himmel. Fast wie in den Alten Krimis. Fehlte nur noch der Trenchcoat. Aber der lag noch oben in der Wohnung. Wozu auch? Er war kein Humphrey Bogart. Es galt keine Verbrechen aufzuklären. Und es war da auch keine, der er hätte in die Augen schauen können. Die Zigarette glimmte auf, als er daran zog. Er konnte das feine knistern vernehmen, das die Glut von sich gab. Die Hand, die die Zigarette hielt war taub vor Kälte. Leere. Alles war wie ausgestorben. Nur hier und da ein zweisames Paar das eng umschlungen vorüberzog.

Nachts ist die Einsamkeit. Wenn das Radio so weit weg klingt und eigentlich gar keine Nähe bringt, sondern die Einsamkeit nur noch deutlicher macht. Wenn das Hupen der Autos auf der Straße wie der Schrei längst vergangener Tierarten klingt. Und die Sterne am Himmel von Wolken verdeckt werden. Nur das Licht der Großstadt da draußen.

Er starrte auf die Auslage und versuchte sich über seine Gefühle klar zu werden. Es mißlang. Alles worüber er sich klar wurde war, daß er sich auf jeden Fall nicht darüber klar werden konnte.

'Ich geh durch die Straßen und ich friere dermaßen, aber der Sandmann verkauft nur noch Seifenblasen und ich fühl' mich so, überall'. Das Lied spukte ihm im Kopf herum. Wie oft war er nachts schon durch die Straßen gewandert um sein Hirn klar zu bekommen.

Wie auch diesmal. Wenn die Wände zu eng werden und die Luft zu schwer zum atmen, dann immer mußte er raus. Als chronischer Nichtraucher steckte er sich dann eine Gauloise an, von denen er immer ein Päckchen dabei hatte. Nur so. Für Notfälle. Wenn die Gedanken zu schwer werden. Dann stand er da und fühlte sich wie Bogart, einsam in der Straße wartend. Nur wartete er auf niemanden. Niemand kam, er stand einfach nur so da.

Eigentlich mochte er Bogart nicht.

In Wirklichkeit kannte er Bogart nicht mal. Außer aus Büchern, wovon aber keines über Bogart war. Er hatte auch Casablanca nie gesehen. Aber irgendwie fühlte er sich so. Oder vielleicht eher wie der Erwachsene Charly Brown. Born to loose. Born to wander alone. Er war der Akrobat, der nach den Sternen greift, nur um nicht an die Gosse zu denken, in der er wanderte.

Heimweh durchzuckte seine Brust. Wie ein ziehen, ein sehnliches Wünschen, ein Verlangen das nicht gestillt werden konnte. Es hatte für ihn mal so etwas wie ein zu Hause gegeben. Doch das ist abgebrannt. Nicht wirklich. Aber in seinem Herzen. Nur noch Asche, eine leise Glut die in seinem Herzen brennt. Und die Erinnerung war es, die schmerzte.

Da war es wieder. Das Bild. Sein Bild. Sein Bild von sich, der einsame Wüstenläufer der am Fuße der Düne steht und doch weis, wenn er sie erklommen hat wird danach wieder eine weiter Düne stehen. Und noch eine. Und noch eine. Und noch eine. Immer wieder. Immer weiter. Ohne Ende, und der Anfang lag so lange zurück, daß er sich nicht mehr daran erinnerte.

'Akrobat, was kostet die Welt, bezahlst mit dem letzten Schluck leben...'

Noch so ein Song, der ihm immer wieder in die Erinnerung sickerte. 'Akrobat, Du Topsensation, die Angst kommt in gierigen Wellen, Akrobat, sie sehen dich schon im Sand der Arena zerschellen...' Vielleicht ist es doch das beste wenn... Unsinn. Eigentlich kann es nur noch besser werden, und ein schiefes Lächeln huscht über sein Gesicht.

'Das Leben ist halt doch wie eine Packung Pralinen. Man weiß nie, was man kriegt. Und bis jetzt waren die meisten Pralinen entweder von vornherein schlecht, oder sie hatten diesen Nachgeschmack von Fäulnis und Pappe...'

Wieder ein Blick ins Schaufenster. Bausparen, für die Familie ein Heim bauen. Freu' Dich auf zu Hause.

Lange fixierte er diese Werbeplakate. Dann zuckte er mit den Schulter, schnickte den Stummel weg, der von der Zigarette übriggeblieben war, und machte sich auf den Weg dorthin, wo er sein Bett stehen hatte und sein Namensschild an der Tür. Vielleicht würde er es irgendwann einmal 'zu Hause' nennen können.

Kommentare

Bitte addieren Sie 8 und 7.

Zurück