Sternenfänger

Vor langer Zeit einmal, als die Sterne noch frei waren und ungebunden durch die Zeit reisten, da gab es sie, die Sternenfänger. Einsame Gestalten die durch die Leere streiften, die kein Licht erhellte. Immer auf der Suche nach dem aufblitzenden Licht. Und dieses Licht verriet ihnen wo der nächste Lichtbringer auftauchte, auf dem Weg von dort nach dann. Und dann gingen sie auf die Jagd... Ormad saß am Steuerrad des völlig überaltertem Wandermobil. Behausung, Lager, Heim. Er war hier geboren, er wird hier sterben und seine Nachkommen wie seine Väter werden es ihm nachtun. Über seinen Ursprung wusste er nichts, ausser das er eines Tages aufgewacht war. Und er nahm an, das er so eines Tages enden wird. Das Gefühl sagte ihm, das es immer so weitergehen würde, bis eines Tages... Ja, und an dem Punkt schwieg sich sein Gefühl aus. Nur das sich eines Tages alles ändern würde. Aber nicht heute.
Vor siebenhundertachtundsiebzig Schlafperioden hatte er das letzte Licht verlassen und war in die Tiefe gefahren. In die immerwährende Schwärze, dort, wo kein Licht hindringt und nichts mehr existiert ausser seinem Wandermobil und ihm. Dort werden sie auftauchen, und ihre leuchtende Bahn ziehen. Dort musste er warten, bis er den verräterischen Blitz sah, nicht mit den Augen sondern mit dem ganzen Körper, der Blitz der ihn durchzuckte, der ihm sagte das es wieder so weit ist. Und dann kamen Sie, mit einem unvorstellbarem Brummen, das ganz leise, unhörbar, subtil anfing und sich dann zu einem Lärm steigerte der seinen Körper zu bersten zu bringen schien. Dann war der Zeitpunkt auf die Instrumente zu schauen und die richtigen Hebel zu ziehen und der Lichtbringer wird nicht in wenigen Augenblicken wieder verschwinden sondern bleiben, den Horizont erhellen und alles an der Dunkelheit auslöschen, mit dem Versprechen nach Licht und Hoffnung und Zukunft.
Ormad hatte eigentlich keine Vorstellung von Zukunft, es gab keinen Tag, keine Nacht, kein Gestern oder Morgen, nur die ewige Dunkelheit hier draussen und das Licht in der Schule.
Die Schule war eine Ansammlung der Lichtbringer, jeder für sich so weit weg, das er nur als einzelner Punkt in der Ferne wahrgenommen werden konnte, aber er war da. Und Ormad konnte sie alle spüren, jeden einzelnen den er gefangen hatte und an diesen Ort gebracht. Es glaubte – nein, er wusste – das es andere gab wie ihn. Andere Sternenfänger die genau das gleiche taten wie er, die die Lichtbringen sammelten und zusammentrieben und über sie wachten. Nur so konnten sie das Ziel erfüllen... Wieder diese leichte irritation, weil er nicht wusste was das Ziel eigentlich war. Aber dann dachte er nicht darüber weiter. Es machte das so lange er denken konnte, und er wird es so lange machen, wie er denken kann. Dann werden andere kommen und weiterhandeln. So lange bis...
Der Blitz zuckte durch seine Gedanken und erfüllten ihn überall mit dieser wunderbaren Vorfreude, einem Kribbeln die in absolute Aktivität und Ungeduld mündete, nur um dann in der langen Zeit bis zum eigentlichen Erscheinen ihn schier in den Wahnsinn zu treiben. Wobei Wahnsinn sicherlich nicht die richtige Defintion ist, denn wo nichts anderes ist, kann man auch nicht anders sein, und somit auch nicht Wahnsinnig. Ohne Bezugspunkt gibt es keine Punkte. In den wenigen Augenblicken in denen die Lichtbringer existieren, in den Augenblicken erscheint ihm das Irrsinning, wenn das Licht hineinleuchtet und ihn ausfüllt, wenn alles um ihn herum schwingt und summt und er eins ist mit der Helligkeit in der nichts existieren kann als das Licht.
Als die Nervösität nicht mehr erträglich erschien konnte er es spüren, das Brummen, das von ihm Besitz ergriff. Ihn eins werden liess mit dem Brummen, immer lauter und lauter, unerträglich bis er an nichts mehr denken konnte als das Brummen, das Summen, das Gekreische um ihn und in ihm. Und dann, auf dem Höhepunkt des Crescendos, fiel sein Blick auf die Armaturen und er wusste was er zu tun hatte und griff nach den Hebeln und Schaltern und bewegte sich ihm Traum und zog und schob und drückte und tastete bis das Brummen verschwand und er leer und ausgelaugt auf die nun leeren Anzeigen starrte.
Der Lichtbringer war ein schöner, von so tiefem Blau und so mächtiger Größe wie sie selten sind, kraftvoll den Horizont ausfüllen. Aber er würde genügen Blicke an ihn verschwenden können auf dem langen Weg zurück in die Schule. Zeit spielte keine Rolle, nur die Aufgabe tat es.
Nach viele Ruhephasen befand sich der Lichtbringer an der Position die Ormad ihm zugedacht hatte. Von nun an sollte er nicht mehr von ihm als Lichtbringer denken sondern nur als der Stern der war. Ein Punkt am Himmel, eines festen Position zu den anderen, die sich im immerwährenden Reigen umschlungen hielten.
So tat Ormad was er tun müsste, Ruhephase für Ruhephase, immerwährend, und die Schule wurde schöner und heller und es dauerte immer länger bis er sie fand, die Lichtbringer, und immer weiter hinaus in die Dunkelheit musste er fahren, bis sie wirklich dunkel war und er kein Licht der Schule mehr spüren konnte.
Nach allzulanger Zeit, in der ihm die Ruhephasen nicht mehr die Kraft zurückgeben konnten die er brauchte um neue Lichtbringer zu holen, als das Warten immer länger wurde, wusste er, das dies sein letzter Lichtbringer sein würde. Nur noch diesen einen. Und wieder wartete er, wie es schien länger als er jemals gewartet hatte, so lange wie all die Zeit zusammen. Doch dann kam er der Blitz, und das Brummen und die Instrumente zeigten ihre Signale und dann war es wieder vorbei.
Diesmal war es ein kleiner Roter. Die waren selten. Eigentlich war es sein erster. Er schien unscheinbar, geradezu winzig, und doch hatte er ihn mehr Kraft gekostet als alle anderen zusammen. Der Weg zurück zur Schule war beschwerlich und lang. Er kam ihm länger und beschwerlicher vor als all die anderen Male die er den Weg zurückgelegt hatte, geradezu als wollte der Lichtbringer ihm nicht folgen. Aus reiner Sturheit machte er weiter und erreichte die Schule. Gerade als er sich das Bild der Schule anschauen wollte um zu entscheiden wo der Rote hineinpassen könnte, da wusste er das es nur einen Platz gab, an dem er richtig war: Genau in der Mitte der anderen, exakt ausgerichtet wäre er der Mittelpunkt, einzigartig, umrahmt von blauer Schönheit und erst der andersartige Fleck würden ihnen den letzten Schliff geben. Und so schob und zerrte Ormad den Roten in den Mittelpunkt und schob ihn nach hier und da, bis er genau in der Mitte saß. Als er sein Werk betrachten wollte, stellte er fest, das sich einer der anderen Sterne bewegt hatte, und etwas die Symmetrie störte, so dass er ihn wieder gerade rücken musste. Wieder reiste er zu dem Roten um sein Werk zu betrachten.
Genau in der Mitte der Sterne erschien im als ob das Bild geschrumpft war. Und als er sich umblickte stellte er fest, das es überall anfing zu schrumpfen, und alle Sterne auf ihn zukamen und immer schneller zusammenfielen. Die maßlose Enttäuschung nahm ihm alle Kraft sich zu bewegen als er sah wie sein Werk in sich zusammenbrach und auf ihn zukam. Und alle Stern und alles Licht traf ihn und konzentrierte sich auf diesen einen roten Punkt in der Mitte, von dem Ormad ein Teil geworden war.
Inmitten all diesem Licht, auf einem einzigen Punkt konzentriert, musste Ormad feststellen, das er noch war – auch wenn er nicht wusste wo oder was, aber dennoch er war.
Dann wusste er, was das Ziel war und was er tun musste.
Und seine Stimme erhob sich und sprach zum ersten Mal:
„Es werde Licht!“

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