Schützengraben
Er lag im Matsch. Völlig verdreckt. Flüssigkeit lief ihm in die Augen. Es war zu dunkel um zu erkennen ob es Blut war. Es regnete aber auch. Seine Lippen waren aufgesprungen und spröde und schmeckten nach Salz und Eisen. Es war wohl doch Blut. Er versuchte sich zu orientieren. Betastete vorsichtig seine Stirn. Die Hand kurz vor das Gesicht halten sah sie schwarz aus. Ziemlich sicher Blut. Er begann sich zu wundern warum es so still war. So still war es sonst nicht.
"..."
Eigentlich wollte er nach dem Gefreiten rufen. Aber er konnte sich nicht hören. Er konnte gar nichts mehr hören. Das muss die Granate vorhin gewesen sein. Da durchzuckte es ihn. Richtig, er hatte die Granate noch kommen sehen und sich geduckt. Sie muss ganz in der Nähe eingeschlagen sein. Er drehte sich um und wollte aufstehen, doch da wo sein linkes Bein war, war nichts mehr. Nur ein Stumpf.
'Das müsste doch eigentlich wehtun?'
Er betrachtete den Stumpf, als wäre es ein Museumsstück. Es schien überhaupt nicht zu ihm zu gehören.
Dann schaute er sich um und sah, das die Granate wohl direkt in den Schützengraben geschlagen war.
Wo vorher noch der Gefreite Müller lag, war nur noch ein Loch, das sich schnell mit dem Regenwasser füllte. Der Hauptmann war sowohl links als auch rechts von ihm. Und ein bisschen am andere Ende des Grabens.
Er war der letzte Überlebende der kleinen Kompanie.
"Stellung Halten bis zum letzen Mann!" hiess es.
'Heisst das, bis zum letzten Mann oder inklusive des letzen Mannes?' fragte er sich. Er musste lachen, ganz furchtbar lachen und noch viel mehr lachen als er merkte, das er sein lachen nicht hören konnte, aber sicher war vor lachen regelrecht zu brüllen. Er lachte bis ihm die tränen kamen. Dann schaute er wieder auf sein Bein und fragte sich erneut, warum es nicht wehtat. Ein Blutstrom kam langsam aber stehtig pulsierend aus dem zerissenen Ende.
Er wollte sich am Kopf kratzen und stellte fest, das er seinen Helm aufhatte. Er löste unterhalb seines Kinnes das Lederand, das den Helm festhielt und versuchte den Helm hinten zu schieben. Aber er hing irgendwie fest. Er nahm beide Hände zu Hilfe und mit einem Ruck löste sich der Helm mit einem schmatzenden Geräusch.
"Sir, hier sind noch welche."
"Überlebende?"
"Nein, keiner. Aber der hier sieht seltsam aus."
"Inwiefern seltsam?"
"Er lächelt."
Der Kommandant kam zu dem Sanitäter und sah sich den toten Soldaten an. Er lächelte wirklich. Ein seltsames Bild inmitten von Tod und Zerstörung. Das Linke Bein war unterhalb des Knies zerfetzt. Er hatte etliche Brandnarben am Körper. Der Rücken war voller Granatsplitter. Eigentlich hätte er schreien vor Schmerzen müssen. Aber anscheinend hatte sich ein Stück des Bajonettes eines anderen Soldaten durch die Explosion durch den Helm in das Gehirn des Mannes gebohrt. Er hatte es nicht einmal bemerkt, sondern beim Ausziehen des Helmes das Bajonett mitsamt des Schädels und einem Teil seines Gehirns herausgezogen. Das hatte ihn getötet.
"Wenigstens einer der mit einem Lachen gestorben ist."
"Glückspilz."
"Vergraben Sie die Jungs hier und dann nichts wie hinter die Front, in zwei Stunden ist die Ruhepause vorbei. Sehen Sie zu, das die anderen auch ein bischen was abbekommen."
"Ja, Sir."
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