Was war geschehen? Die Wolfsmenschen – so nannte ich sie auch später noch – hielten mich für einen Dämon. Soweit, so klar. Ich tauchte zufälligerweise an einem ihrer heiligen Tage auf, in der es von der Prophezeiung hießt, das die Dämonen aus der Hölle steigen würden, und Tod und verderben über die Welt bringen würden. Zufällig sahen ihre Dämonen halt den Menschen sehr ähnlich – glatte, rosa Haut, flache Gesichter... Der Unterschied in dieser Welt war, das es die Dämonen wirklich gab, sie wirklich auf der Welt wandelten und Tod und Verderben brachten. Dämonen hatten ein schwarzes Herz und blaues Blut. Der einzige Weg einen Dämon zu besiegen war sein Herz lebend aus der Brust zu reissen und es in einem Ritual dem Feuer zu übergeben. Als der Medizinman – hier konnte ich mich nicht dazu durchringen Medizinwolf zu denken – mein rotes Herz, das denen der Wolfsmenschen einigermassen glich, sah, wusste er das ich kein Dämon war. Das Töten eines Lebewesens war den Wolfsmenschen streng verboten und sorgte für lang währende Rache der Götter. Für ein Lebewesen galten bei den Wolfsmenschen sich selbst fortbewegende Wesen. Wie ich später herausfand gab es in dieser Welt einige Pflanzen die laufen oder zumindest kriechen konnte, sowie Wesen die wir als Tiere bezeichnen würden, die immer an einem Platz weilten. Es war eine wundersame welt, die in vielen Dingen der unseren so gar nicht entsprach. Auch waren die Wolfsmenschen keine Krieger wie ich dachte, sondern eigentlich Mönche, deren Aufgabe die Jagd und das Bekämpfen der Dämonen waren.
Ich blieb für zwei Jahreszeitenzyklen bei den Wolfsmenschen, lernte ihre Sprache und Gebräuchen und nahm an den Ritualen teil. Die Gastfreundlichkeit der Wolfsmenschen war beeindruckend, nachdem sie gemerkt hatten das ich kein Dämon war. Sie gaben mir zu essen und zu trinken um mich wieder zu kräften zu bringen. Dann versuchten sie mir ihre Sprache beizubringen. Die Sprache war durch die vielen Klick und Schnalzlaute nicht einfach zu lernen. Aber ich schaffte es innerhalb von einigen Monaten mich zumindest einfach zu unterhalten und verstand mehr und mehr von ihrer Aufgabe. Der Waldteil in dem ich aufgewacht war, war der heilige Wald. Dort sind die Dämonen einst hergekommen. Einmal im Jahr wanderten die Mönche dort hoch, in diesselbe Lichtung in der ich aufwachte. Der Stein war ein heiliger Stein. Sie versichterten mir, das dieser Stein auf Grund eines bestimmten Rituals nicht in der Lage war die Dämonen hereinzulassen. Zum Glück hatte ich ihnen die ganze geschichte meiner Herkunft nicht erzählen können, so das ich das Thema weiterhin aussparte und mich mit ausflüchten beschäftigte.
Der Versuch mir den Dämon auszutreiben hatte auf meiner Brust diese Sonnenförmige Narbe hinterlassen. Die Sonne stand bei den Wolfmenschen für das Gute und die Kraft. Sie hielten es für ein gutes Omen. Aber noch etwas anderes war mit mir passiert. Es schnien als würden alle Wunden die ich mir im Laufe der Zeit holte besonders schnell verheilen. Oberflächliche Wunden verschwanden innerhalb von Stunden, selbst tiefe Wunden waren nach wenigen Tagen verschwunden. Ich nahm viel ab und baute durch das unerbittliche Training dem sich die Wolfsmenschen unterzogen mehr und mehr Muskeln auf.
Ich hatte den einen oder anderen Körperlichen Vorteil ihnen gegenüber, da mein Sehfeld größer war. Dafür waren ihre Nasen um ein vielfaches besser.
Das wirklich interessante hier war die Tier- und Pflanzenwelt. Es gab Pflanzen, die sich selbstständig fortbewegen konnten. Als ich die Sprache noch nicht kannte, war ich irritiert, das mir auf so mancher Wanderung durch den Wald der Wald jedesmal anders aussah. Meine gedachten Wegmarkierungen stimmten oft nicht mehr. Ohne die Wolfsmenschen wäre ich verloren gewesen. Es stellte sich dann heraus, das gerade die charakteristischten Bäume gerne auf Wanderschaft gingen. Ein Baum war nicht so schnell, aber er konnte sich ein- bei schönen Wetter auch zweimal am Tag um ein gutes dutzend Meter bewegen. Die Bäume zogen durch den Wald und diese Bäume wurden als Gefäß für die Seelen der toten Wolfsmenschen betrachtet. Somit waren sie beinnahe heilig und durften nicht gefällt werden. Auch sonst ging man mit der Pflanzenwelt sehr schonen um. Die Hütten baute man aus altem Holz, von dem der Wald voll war. Einen Baum zu fällen galt als Sakrileg. Andererseits gab es Tiere, die sich eingruben und an dieser Stelle für immer blieben. Diese Tiere wurden gerne als Fleischquelle verwendet. Sie schmeckten etwas harzig, aber sehr angenehm. Hauptsächlich bestand das Essen aber aus Beeren und Wurzeln.
Als ich das erste mal auf einer rituellen Wanderung mitgenommen wurde, wurde ich Zeuge einer Machtdemonstration der Mönche, die ich kaum glauben konnte, wenn ich es nicht selbst gesehen hätte. Die Wanderung führte zu einem Stein, ähnlich wie der an dem ich ankam. Auch dieser Stein war eher unscheinbar und in einer versteckten Lichtung. Das Ritual dauerte einige Stunden, in denen man mir klar machte, das ich mich hinzusetzen hatte und ruhig sein sollte. Im Nachhinein denke ich es war ein Test, denn hinter mir bleiben vier schwerbewaffnete Mönche stehen, die achtgaben das ich mich nicht bewegte.
Es fing wieder damit an, das der Medizinman langsam um den Stein ging. Dann fing er an zu singen, was ein bischen wie eine Mischung aus Geheul und gewinsel wirkte, dennoch melodisch, und immer schneller in kurzen Sprüngen um den Stein herumsprang. Nach kurzer Zeit fing der Stein an zu leuchten. Ein leichtes Glühen erst, dann immer stärker. Wieder roch ich den vertrauten Geruch, der mich zu „meinem“ Stein geführt hatte. Diesmal jedoch hatte der Geruch auf mich keinerlei Anziehung. Als der Stein hell leuchtete war der Geruch ausserordentlich intensiv, mit einer Beimischung von Erde. Ich fragte mich damals, wie die Wolfsmenschen mit ihrem intensiven Geruchssinn diesem Geruch standhalten konnten. Ich jedenfalls versuchte durch den Mund zu atmen um davon nicht betäubt zu werden. Als der Medizinmann aufhörte zu singen und zu tanzen, war der Stein verschwunden und nur ein hell leuchtender Fleck im Boden zu sehen. Der kleinste der Wolfmänner, der wohl auch der jüngste war, so genau konnte ich das nicht einschätzen, schritt auf den Fleck zu. Davor blieb er stehen, legte seine Waffen ab, dann seine Felle die ihn bedeckten. Er stand nun davor und hob die Arme. Die anderen Krieger – ausser denjenigen die mich offensichtlich bewachten – formten einen Kreis, mit dem jungen Wolfsmann in der Mitte, und dem Medizinmann neben ihm. Der Medizinmann sah ihn ernst an und Schnitt mit einem Messer, das er verborgen in der Hand gehalten hatte ein Muster in die Brust. Ich sah, das der Schnitt tief sein musste, denn das Messer tropfte vor Blut. Der junge Wolfsmann zuckte nur leicht als die Klinge ihne berührte. Dann griff der Medizinmann an seine Brust, und wie bei mir kam die Hand wieder mit dem Herzen zum Vorschein. Ich konnte das Herz deutlich schlagen sehen, wie es dort zuckend und glänzend in die Höhe gehoben wurde. Der Medizinmann trat zu seite und der junge Wolfsmann sprang kopfüber auf den Fleck zu, in dem er zu meiner Überraschung verschwand.
In dem Moment als der der junge Wolfsmann in das Loch sprang, finden die Krieger an zu heulen. Es war ohrenbetäubend. Kurz nachdem er verschwunden war, hörten sie auf. Sie setzten sich an der Stelle an der sie standen und jeder Krieger fing an eine Geschichte zu erzählen. Meine Kenntnisse der Sprache waren nur rudimentär vorhanden, aber ich verstand soviel, das es Heldengeschichten waren, von Dämonenjägern und guten Kriegern, von Tapferen und Mutigen, die sich der Gefahr stellten. Ob die Mönche sich damit Mut machten, oder nur die Zeit vertrieben, wusste ich damals nicht. Heute weiss ich, das die Geschichten dazu dienten, demjenigen der in der anderen Welt in der er abtauchte, Kraft zu geben. Jeder der Mönche glaubte in dem Moment an die Geschichte, mit dem jungen Mönch als Helden.
Als der letzte der Mönche im Kreise geendet hatte seine Geschichte zu erzählen, sprach der Medizinmann. Er erzählte eine Geschichte – auch hier habe ich nicht alles verstanden – von der Gnade der Götter, von der Aufgabe die sie hatte (Dämonen jagen), und die Welt zu schützen (die ihnen dafür nicht dankbar war). Als der Medizinmann geendet hatte, herrschte Schweigen. Er drehte sich langsam und schaute jeden der Mönche lange an. Dann sah er mich an, intensiv und durchdringend, als ob er mich prüfte. Schliesslich tat ich etwas von dem ich heute nicht mehr begreife warum ich es tat. Aber ich stand auf. Die Mönche hinter mir wollten mich wieder herunterdrücken, doch mit einer Handbewegung des Medizinmanns liessen sie ab von mir.
Ich stand nun da und ich spürte den Drang etwas zu sagen. Also erzählte auch ich eine Heldengeschichte, von einem der auszog den Weg zu finden, auf diesem Weg von Versuchungen heimgesucht wurde, die er besiegen musste, von bösem das er besiegte und Gerechtigkeit die er verbeitete. Ich dichte eine Mischung aus dem Drachtöter und dem Tapferen Schneiderlein, ein einfacher Mensch (bzw. Wolf), der seinen Weg suchte und fand, der niemals aufgab und sich nie geschlagen gab aus seinem Weg. Ich konnte die Geschichte nur in meiner Sprache erzählen. Kaum hatte ich angefangen, flossen die Worte immer leichter, es war als ob die Geschichte mich trieb, nicht ich die Geschichte. Als ich geendet hatte und der Held wieder nach Hause kam, sah mich der Medizinmann wieder lange an. Dann tat er etwas das für unruhe unter den anderen Mönchen sorgte, die angesichts des Rituals aber schnell unterdrückt wurde: Er verbeugte sich tief.
Dann drehte er sich mit einer schnellen Bewegung um und sprach in einem harten, befehlenden Ton zu dem leuchtenden Fleck auf der Erde. Der Fleck verfärbte sich vom leuchtenden Gelb über Rot nach Grün. Aus diesem Fleck erhob sich langsam die Gestalt des jungen Wolfsmannes. Das Leuchten wurde so intensiv mit jedem Millimeter die er aus dem Fleck emprstieg, das ich meine Augen abwenden musste. Schliesslich wurde es wieder dunkel und der intensieve Geruch war verschwunden. Dort wo der leuchtende Fleck war, stand wieder der Stein und auf dem Stein war der junge Wolfsmann. Doch was war mit ihm geschehen... Er hatte leuchtendrote narben auf dem Körper, einige sahen aus wie Verbrennungen doch sein Blick war Stolz und Edel. Er schaute uns an, als hätte er uns für eine lange Zeit nicht gesehen.
Und dann brach er zusammen und viel von dem Stein. Der Medizinmann muss es erwartet haben, denn er fing ihn auf und legte ihn sanft auf den Boden. Wir blieben alle für einige Stunden sitzen bis der junge Wolfsmann von selbst erwachte. In der Zeit verschwanden viele seiner Wunden und es blieben nur Schatten zurück.
Wie ich viel später lernte, als ich schon lange nicht mehr bei den Wolfsmenschen weilte, handelte es sich bei diesem Ritus um eine Wanderschaft, die der Krieger antrat. Die Wanderschaft war nicht wie meine eigene, sondern eine die durch die Geschichten die erzählt wurden gesteuert wurden. Der Krieger bekam die Eigenschaften und Erlebnisse, die in den Geschichten vorkamen. Alle Krieger mussten diesen Ritus durchlaufen um gegen die Dämonen zu bestehen. Erst dadurch wurde Ihnen jener besondere Geist und die Kraft verliehen, es mit einem Dämonen aufzunehmen.
Der junge Wolfsmensch, der nun K'aluk hiess, bestand gegenüber seinen Brüdern darauf, das nicht nur die Brüder ihre Geschichten erzählten, sondern auch ich. Er glaubte, das ich ein Zeichen sei, das der Kampf eine neue Qualität annehmen würde, und das nur durch meine Geschichte er weiterwachsen könnte. Im Nachhinein – ich traf in einige Male wieder – hatte ener recht damit. Seine Brüder zweifelten noch an mir, weshalb es lange diskutiert wurde ob ich erzählen durfte oder nicht. Der Medizinmann liess mich deshalb auch nicht im Kreis zu, und meine Geschichte war die letzte. Ich habe keine Zweifel das er mich sofort hätte töten lassen, wenn er – wie auch immer – gespürt hätte, das meine Geschichte nichts Gutes verhieß. Ich glaube er dass er mich bis zu seinem Tode für wenigstens einen Halbdämonen hielt. Meine Geschichte war die letzte, und hätte eigentlich die geringste Kraft haben sollen, weil ich auch nicht im Kreis saß. Doch vielleicht dadurch das ich aus einer anderen Welt kam, war es gerade diese Geschichte, die K'aluk zu dem machte, was er später war: Der Einer der Welt, der Bezwinger der Dämonen, das Licht das leuchtet, der Wegfinder. Ihm, vielleicht nicht nur, aber doch zum großen Teil, verdanke ich es überhaupt wieder zurückkehren zu können.
Zwei Jahre lang blieb ich bei dieser Gemeinschaft, und wurde fester Bestandteil dieses und anderer Riten. Die Gemeinschaft wuchs bald nach der Initiierung von K'aluk und mehr und mehr Wolfsmenschen strömten hinein. Sie brachten Neuigkeiten von Ausserhalb des Waldes mit – ja es gab auch andere Regionen als den Wald – und die Neuigkeiten waren nicht gut. Die Dämonen wurden zahlreicher und mächtiger. So wuchs die kleine Armee, denn anders kann man es kaum bezeichnen, stehtig, und die Intiierungen wurden zahlreicher, bis jeden Monat zwei oder drei junge Wolfsmenschen initiiert wurden. Durch die vielen Geschichten von Ausserhalb wurde ich begierig den Wald zu verlassen und mich auf die Suche zu machen, die Suche nach meiner Heimat, einen Weg zurück. Eines Tages erschien ein Wanderer in unserem Dorf, der mir zumindest den Weg aus dem Wald hinaus aufzeigte.

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